Ein Bericht über die Erfahrungen des Geschäftsführers eines Unternehmens, das einen smarten E-Mail-Assistenten entwickelt hat
Das junge deutsche Startup ist eine Ausgründung aus einem Co-Innovationsprojekt dreier Unternehmen, die gemeinsam einen KI-basierten E-Mail-Assistenten entwickelt haben. Eines der drei Unternehmen, ein mittelständisches Bauunternehmen, stand vor der Herausforderung, die Informationsflut zu bewältigen, die Tag für Tag im Sekretariat des Unternehmens landete. Der Geschäftsführer des Startups berichtet, dass die Baufirma dauerhaft eine Vielzahl an Baustellen parallel betreut, zu denen täglich Baupläne, Baustellentagebücher, Abnahmeprotokolle und Mangelmeldungen eintreffen. Im Rahmen dieses Berichts wird er Gesema genannt, kurz für Geschäftsführer eines Unternehmens, das einen smarten E-Mail-Assistenten entwickelt hat.
„Für jede dieser E-Mails muss sich überlegt werden: Wohin gehört das, zu welcher Baustelle gehört es, um welches Thema geht es und dann muss das an die entsprechenden Leute weitergeleitet werden, damit die sich darum kümmern. Im schlimmsten Fall bleibt sonst ein Bauplan irgendwo in einem E-Mail-Postfach hängen und die Wand steht drei Meter zu weit links.“
Das Bauunternehmen schloss sich mit einem IT-Service Dienstleister und einem weiteren Unternehmen zusammen, das sich auf digitale, technologiegetriebene Innovationen sowie datengetriebene Produkte und Geschäftsmodelle spezialisiert hat. Zusammen entwickelten sie einen digitalen E-Mail-Assistenten. Dieser hat ein tiefgreifendes, semantisches Verständnis für bauspezifische Branchen und kann Informationen aus eingehenden E-Mails erkennen, extrahieren, standardisieren, anreichern und an die richtigen Stellen im Unternehmen weiterleiten. Nutzerinnen und Nutzer der KI-Anwendung müssen die Vorschläge der KI lediglich bestätigen oder korrigieren, was gleichzeitig ein Feedback für den Algorithmus darstellt, der kontinuierlich dazulernt. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit einer E-Mail wird dabei von über zwei Minuten auf durchschnittlich 15 Sekunden per E-Mail gesenkt.
Zu Beginn wurde die technische Machbarkeit geprüft und mit der Modellentwicklung und dessen Training begonnen. Dabei spielen laut Gesema die Qualität und Menge der vorhandenen Daten und das Auswählen des konkreten Use Cases eine wichtige Rolle. Darüber hinaus wurde die wirtschaftliche Machbarkeit ermittelt und geprüft, inwiefern die Lösung kommerzialisiert werden konnte. Mithilfe des Bauunternehmens und dessen Vernetztheit in der Branche konnte das Projekt passend ausgestaltet werden.
„Gerade am Anfang geht es halt um Tempo, es geht darum, möglichst schnell irgendetwas auf die Straße zu bekommen, um Feedback zu sammeln und zu lernen, wo sind eigentlich wirklich die Knackpunkte (…). Und das ist deutlich einfacher, wenn ich (…) einfach viele Services (…) einkaufen kann.“
Gesema befürwortet die Nutzung von bestimmten Services, die große Anbieter wie Microsoft anbieten, damit der interne Fokus auf zentrale Aspekte der KI-Implementierung gelegt werden kann. Er rät anderen Unternehmen, ihre Aktivitäten auf eine Cloud zu verlagern, anstatt lokale Infrastruktur zu nutzen. Außerdem sei es hilfreich, so früh wie möglich Einblicke und Perspektiven der potenziellen Nutzer- und Kundschaft zu erhalten, um branchenspezifische Probleme besser zu verstehen und zu adressieren.
„Eine Sache, die zu oft vergessen wurde, auch damals schon, ist, mit den Leuten zu reden, die es jeden Tag verwenden sollten.“
Gesema setzt aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen als Berater für KI-Anwendungsfälle in großen Unternehmen im deutschsprachigen Raum einen Schwerpunkt auf die Einbindung der Nutzenden. Oft fehle es an der Kommunikation mit den End-Usern einer KI-Anwendung. Geschäftsführer und Manager hätten in der Regel eine reine Prozessperspektive; deren Ziele stammen laut Gesema oft nur aus Excel-Tabellen. Diese Ziele könnten jedoch nur realisiert werden, wenn End User die KI-Lösung verwenden wollen und dies auch gerne tun.
„Da hilft es nichts, wenn ich ihnen fünf Mal sage, dass sie es verwenden sollen, dann hilft nur, wenn sie es gerne verwenden.“
Um Nutzende als zentrale Steuerstelle miteinzubinden, wurden Befragungen in einem zweiwöchentlichen Turnus eingeführt. Diese sollten die Nutzungserfahrung und auftretende Probleme abbilden sowie Ideen und Anregungen sammeln. Über einen Zeitraum von drei Monaten widmeten sich die Entwickler ausschließlich der Maximierung der Nutzungserfahrung und der Behebung von Mängeln, die von Nutzenden gemeldet wurden. Daraufhin konnte Gesema drei Faktoren identifizieren, die die Nutzungsakzeptanz gesteigert haben: Erstens sollte Nutzenden das Gefühl gegeben werden, dass ihr Feedback wertvoll ist und sowohl geschätzt als auch berücksichtigt wird. Ihre Einbindung in den Implementierungsprozess sorge für Zufriedenheit und Motivation. Zweitens sollte auf Nutzungsfreundlichkeit und Einfachheit der Bedienung geachtet werden. Der dritte Faktor stellt den direkten Vorteil für Nutzende dar, dank einer Automatisierung von unliebsamen Aufgaben befreit zu werden. Die Erwartungen an den E-Mail-Assistenten konnten mithilfe der Einbindung von Feedbackmechanismen nach und nach erfüllt werden, was dazu führte, dass weitere Potenziale identifiziert wurden, um die KI-Lösung auszuweiten.
„Weil wir es erreicht haben, haben wir Vertrauen gewonnen, mit neuem Vertrauen kamen neue Ideen, die man machen könnte und damit haben sich wieder die Erwartungen gesteigert.“
Eine zentrale Voraussetzung für die digitale Transformation in einem Unternehmen sei der Mut zum Risiko und das „Herauskommen aus der Betriebsblindheit“. KI sei kein Selbstzweck, sondern immer nur Teil einer Lösung. Oft würde sich im deutschsprachigen Raum auf die Optimierung von bestehenden Prozessen konzentriert werden, anstatt sich Gedanken darüber zu machen, wie Prozesse insgesamt neu und anders gestaltet werden können. Digitale Transformation sei Sache der Geschäftsführung und nicht nur eine Frage des Budgets, sondern auch der Kultur. Für die Potenzialidentifikation und Umsetzung könnten interne Abteilungen oder externe Beratungen engagiert werden. In jedem Fall sei es notwendig, Organisationsstrukturen und interne Kommunikationskanäle weiterzuentwickeln und autonome Teams zu schaffen, die sowohl das Businessprozesswissen als auch die technische Expertise haben.
„Weg von starren Hierarchien mehr hin zu autonomen Teams, die auch wirklich Gestaltungsfreiheit haben, die auch die Möglichkeit haben, selbst technisch Dinge mitzugestalten und auch vor allem das Aufbrechen von den IT-Abteilungen als der Elfenbeinturm hin zu Teams, die aus Leuten bestehen, die wissen, was umgesetzt werden sollte und Leuten, die wissen, wie es umgesetzt wird.“