Ein Bericht über die Erfahrungen des Leiters für KI-Entwicklung in einem Luftfahrtunternehmen
Das Hauptprodukt des Luftfahrtunternehmens ist eine autonome Flugdrohne für den Logistikbereich. Mit einer Reichweite von 100 km und einer Tragekapazität von circa fünf kg zielt das Produkt in erster Linie auf den humanitären Bereich ab. Mit kurzfristigen Lieferungen von Medikamenten kann beispielsweise die Gesundheitsinfrastruktur von abgelegenen und schwer zu erreichenden Orten unterstützt werden. Die Führungsebene entschied sich aus strategischen Gründen dazu, intern ein eigenes KI-System zu entwickeln, das das autonome Flugsystem vervollständigt. Das Fluggerät soll während des Fliegens in der Lage sein, selbstständig Entscheidungen zu treffen, damit es zum Beispiel anderen Flugobjekten ausweichen kann. Insbesondere während der Start- und Landephase kann es leicht zu Gefahrensituationen mit beistehenden Menschen kommen. Aus diesem Grund soll die KI in der Lage sein, ihre Umgebung zu verstehen und basierend darauf Entscheidungen zu treffen, um die Sicherheit der Drohne selbst sowie der Personen in der nahen Umgebung zu gewährleisten. Eine hauptverantwortliche Fach- und Führungskraft wurde für die Gesamtentwicklung der Künstlichen Intelligenz im Unternehmen eingestellt. Im Rahmen dieses Berichts wird er Herr Taid genannt, kurz für Teamleiter für AI Development.
Die Datenbeschaffung ist für Taid die zentrale und schwierigste Aufgabe der gesamten KI-Entwicklung. Das Sammeln der Daten sei ein langwieriger Prozess und eine gute Datenqualität von entscheidender Bedeutung. Nicht nur die KI als solche muss modelliert, entworfen und angepasst werden.
„Dieses Thema, wo bekommt man die Daten her, das ist eins von den Themen, (…) das sehr häufig unterschätzt wird.“
Um spezifische Prädiktionen treffen zu können, braucht die KI eine ausführliche Datenbasis, die aufwendig zu generieren ist. Kameras, die an den Drohnen befestigt sind, müssen über einen langen Zeitraum Bilder aufnehmen, die die unterschiedlichsten Landschaften und Umgebungen festhalten. Die verschiedenen Landschaftsbilder, die sich je nach Kontinent, Region und Jahreszeit unterscheiden, bilden eine Masse an Daten, die aufgrund von Einschränkungen wie den Datenschutzregelungen nicht immer leicht zu erfassen und verarbeiten sind.
„Wenn man den Lifecycle von KI betrachtet, dann geht (…) bestimmt 60, 70, vielleicht sogar 80 Prozent der Zeit darauf, die Daten zu gewinnen, mit denen man die KI macht. Also das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, der häufig vergessen wird.“
Taid erinnert sich allerdings gerne an die kreativen Wege und Arten, Daten zu generieren. Beispielsweise durfte ein Werkstudent mit dem Flugzeug über einen Flughafen fliegen, um Aufnahmen aus der Luft zu machen. Ein anderes Mal führte die Dienstreise einer Kollegin auf ein Heißluftballon-Festival, um von einem Heißluftballon aus Bilder der Landschaft zu sammeln.
„Manche Menschen bezahlen dafür Geld und bei uns wird man dafür bezahlt (…). Also das sind sicherlich die tollen oder besonders tollen Ereignisse.“
Erst wenn der Prozess der Datensammlung einschließlich der DSGVO-konformen Speicherung und Aufbereitung abgeschlossen ist, kann das Team beginnen, eine Netzwerkarchitektur zu trainieren und Parameter für die Implementierung anzupassen. Geeignete KI-Architekturen werden bereits im Voraus während der Datensammlung identifiziert und theoretisch evaluiert. Um die optimalen Parameter für ein KI-Modell festzulegen, sind meist mehrere Generationszyklen notwendig. Für eine KI-Architektur muss laut Taid das Rad nicht neu erfunden werden. Es gäbe eine Vielzahl vorgefertigter Modelle, die teilweise eins zu eins verwendet werden und mit den eigenen Daten trainiert werden können.
„Es gibt viele Firmen (…), die extrem gute Sachen haben und es ist keine Schande, wenn plötzlich diese Unternehmen KI-Methoden oder Anwendungen zur Verfügung stellen, die alles, was wir bisher gemacht haben, in den Schatten stellen. Das ist normal, aber dafür muss man offen sein.“
In seinem Team benötigt Taid idealerweise IT-Administratoren für die IT-Infrastruktur und Datensicherheit, auf DSGVO und KI spezialisierte Juristen, Supply-Manager sowie Data Scientists. Kompetente Mitarbeitende zu finden, die zusätzlich einen Forscher-Spirit mitbringen, sei aber keine leichte Aufgabe. Wer nicht bereit ist, sein Wissensspektrum zu erweitern und sich regelmäßig fortzubilden, ist Taids Meinung nach im Bereich KI nicht richtig aufgehoben. Ohne gezielte Fördermöglichkeiten sei es grundsätzlich schwierig, fachlich konkurrenzfähig zu bleiben. Außerdem ist er davon überzeugt:
„Man braucht eine gewisse Durchhaltefähigkeit, sonst wird das nicht klappen.“
Auch die Aufgabe, innerhalb des Unternehmens und bei Kunden Aufklärungsarbeit zu leisten, um beispielsweise das Budget für wichtige KI-Themen zu erhalten, erfordere Ausdauer und Überzeugungskraft. Offenheit für Innovationen und das Überdenken bestehender Prozesse seien von zentraler Bedeutung. Nicht zuletzt, weil andere Unternehmen möglicherweise bessere Lösungen auf Lager haben.
Die personellen und finanziellen Einstiegshürden seien im Bereich KI sehr hoch und je nachdem, was im Unternehmen angestrebt wird oder entwickelt werden soll, kommt der Return of Investment erst zu einem späten Zeitpunkt. Taid rät, darüber müsse man sich genau im Klaren sein. Die gestiegenen Stromkosten seien ein zusätzliches Hindernis für die KI-Entwicklung, da die leistungsstarken Rechner kontinuierlich laufen müssen. Auch der angespannte Arbeitsmarkt und die Gehaltsstrukturen bei KI-Entwicklern sollten nicht unterschätzt werden.
„Es gibt wenig gute KI-Entwickler, die Nachfrage danach ist sehr hoch.“
Unter den Software-Entwicklern seien KI-Entwickler „neben den Kryptologen die Sparte, die im Moment am besten verdient.“ Die Nähe zu Investoren oder Fördermöglichkeiten, sowie ein finanzielles Polster können hilfreich sein, um den Einstieg zu erleichtern und das Projekt am Leben zu halten.