Non-Profit-Organisationen - Hohe Regulatorik, kaum Standards
KI in der Stadtwirtschaft
Ein Bericht über die Erfahrungen eines Vorstandsmitglieds einer Holding für das Beteiligungsmanagement einer Stadt
Stadtwirtschaft trifft KI
Die Holdinggesellschaft ist das Beteiligungsmanagement einer deutschen Großstadt und strategische Management-Holding der städtischen Unternehmen. Als zentraler Berater in allen wirtschaftlichen Angelegenheiten der Stadtwirtschaft unterliegen dem Unternehmen mehr als 100 Beteiligungen in verschiedenen Bereichen. Diese teilen sich auf in die Geschäftsfelder Energie und Wasser; Immobilien; Mobilität; Gesundheit und Teilhabe; Kultur und Freizeit; Digitalisierung und Telekommunikation; Entsorgung und Abwasser; sowie das Geschäftsfeld Strategie, Finanzen und Innovationen. In den Tochterunternehmen konnten innerhalb der letzten Jahre zahlreiche KI-Projekte umgesetzt werden, einige sind in Entwicklung. Ein Vorstandsmitglied berichtet von ausgewählten Projekten, die jeweils mit mehreren externen Partnern verwirklicht wurden, darunter eine teleoperiert-teilautonom fahrende Straßenbahn sowie eine teilautonome Busflotte. Im Rahmen dieses Berichts wird er Vohobt genannt, kurz für Vorstandsmitglied einer Holding für das Beteiligungsmanagement einer Stadt. Neben seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied ist er auch Geschäftsführer eines Gründerzentrums und als Lehrbeauftragter und Honorarprofessor an einer Hochschule tätig. Darüber hinaus veröffentlicht Vohobt wissenschaftliche Texte, eines seiner Steckenpferde ist die Innovationsfähigkeit und -entwicklung in Deutschland.
Motivation und Entscheidungsmut
Vohobt ist davon überzeugt: Die Unternehmensführung muss ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivieren und eine Offenheit gegenüber modernen Themen und Herausforderungen demonstrieren. Auf der anderen Seite brauche es Mitarbeitende, die sich für die inhaltliche Arbeit begeistern können, offen und neugierig auf neue Projekte blicken und eine gewisse Stressresistenz und Belastbarkeit aufweisen, da KI-Projekte oftmals nicht beim ersten Versuch gelingen. Technik-Affinität, Informatik-Kenntnisse und vernetztes Denken seien darüber hinaus auch förderlich – grundlegende Projektmanagement-Kenntnisse seien unabdingbar.
„Ich würde da gar nicht dieses Loblied auf agiles Projektmanagement anstimmen, sondern Projektmanagement einfach weiterhin als wichtige Voraussetzung definieren, weil das in vielen Hochschulen immer noch nicht als Pflichtangebot den Studierenden beigebracht wird, erstaunlicherweise.“
In KI-Projekten würden Kenntnisse im Bereich der Datenanalyse, Programmierung sowie ein allgemeines Systemverständnis für den jeweiligen Anwendungsfall benötigt. Auch sei es wichtig, Fachkräfte mit regulatorischem, datenschutzrechtlichem und ethischem Hintergrundwissen zu haben, die im Stande sind, Abwägungen zu treffen und nicht alles direkt zu blockieren. „Für solche Projekte ist es immer wieder eine Herausforderung, dass Sie zum Start kommen, also dass sie überhaupt begonnen werden“, berichtet Vohobt. Oft würde in deutschen Unternehmen die Entscheidung getroffen, nichts zu tun – ganz im Gegensatz zu Unternehmen in Asien, Amerika oder England.
Regulatorik-Hürdenlauf
Die Herausforderungen und Hindernisse durch Regulatorik und Behörden auf dem Weg zu einer erfolgreichen KI-Implementierung können laut Vohobt sehr frustrierend sein. Neue und einzigartige Projekte kosteten Zeit und Anstrengung, Überzeugungsarbeit und eine mühsame Antragstellung bei entsprechenden Behörden und Entscheidungsträgern, einschließlich Datenschutzbeauftragten und Universitätsvertretern. Es sei wichtig, dass politische und regulatorische Entscheidungsträger offen für neue Innovationen sind und in der Regulatorik Ausnahmen für Testzwecke zulassen. Vohobt spricht von Deutschland, dem „Land der Bedenkenträger“ und befürchtet, dass diese Bedenken und Zurückhaltung zu abstrakten politischen Debatten führen, die wiederum Unternehmen dazu zwingen, ins Ausland zu gehen, um dort ihre innovativen Projekte zu verwirklichen.
„Wir müssen den Innovationsgeist weiterhin hochhalten, den Mut für Neues, sonst werden wir irgendwann durchaus Standardlösungen haben (…), die aber nur wenig aus Deutschland kommen.“
Das Ziel sollte sein, eine angemessene Abwägung zwischen den gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen und der wirtschaftlichen Stärkung durch KI-Technologie zu finden. Es müsse sichergestellt werden, dass Deutschland weiterhin mit anderen Ländern mithalten kann, die bereits ähnliche Technologien implementiert haben. Es brauche eine Offenheit seitens Politik und Regulatorik gegenüber professionellen Spielwiesen im Kontext der Entwicklung von neuartigen KI-Technologien, damit diese nicht ausgebremst oder gar aufgegeben werden. Regulierende Anforderungen, wie zum Beispiel Begleitstudien mit hohem Detaillevel, können je nach KI-Projekt Kosten von mehreren Millionen Euro verursachen und die Entwicklung von KI-Innovationen damit erheblich einschränken oder sogar verhindern.
Standardisierung statt „Erstmalstudien“
Vohobt gibt Unternehmen, die zum ersten Mal mit KI arbeiten, den Ratschlag, eng mit Institutionen wie beispielsweise dem Hessischen Zentrum für Künstliche Intelligenz zusammen zu arbeiten. Das Zentrum biete eine offene und hilfsbereite Kommunikation mit Experten, um beispielsweise Herausforderungen im Implementierungsprozess vorherzusehen und gemeinsam zu bewältigen. Grundsätzlich befürwortet Vohobt die wissenschaftliche Begleitung von KI-Projekten, allerdings stellt er den Sinn von Machbarkeitsstudien in Frage.
„Erliegen Sie nicht jedem, der Ihnen irgendetwas verkaufen will an Machbarkeitsstudien, weil das kostet sehr viel Geld und ich bin mittlerweile auch ein Stück weit zurückhaltender geworden.“
Die fehlende Standardisierung in der Entwicklung und im Angebot von KI-Lösungen führe immer wieder zu Machbarkeitsstudien. Vielmehr sei es notwendig, dass Standard-Produkte und -Angebote entwickelt und etabliert werden, damit nicht immer wieder die Einbindung von fremden Dritten benötigt wird, die in Prozesse im Unternehmen eingreifen und diese womöglich verlangsamen. Vohobt betont:
„Wir brauchen einfach auch dort mehr Professionalisierung bei den KI-Unternehmen, die anbieten und offensichtlich braucht es auch (…) Bereitschaft, sich zu standardisieren.“