Beispiele einer reibungslosen Implementierung – KI in simplen Use Cases
Ein Bericht über die Erfahrungen des Teamleiters für Innovation und Digitalisierung des IT Service Dienstleisters eines großen Maschinen- und Anlagebauherstellers
Die Identifizierung erster Use Cases
Die IT Service GmbH eines großen, international agierenden Industriekonzerns für Maschinen und Anlagebau ist für alle IT-Dienstleistungen im Unternehmen zuständig. Die Kunden sind die 18.000 Mitarbeitenden des Mutterkonzerns. Der Teamleiter in der Software-Entwicklung für Innovation und Digitalisierung – im Rahmen dieses Berichts wird er kurz Tesenid genannt – beschäftigt sich mit Prozessautomatisierung und -digitalisierung mittels verschiedener Technologien wie Robotic Process Automation (RPA), Workflow-Entwicklung sowie KI-basierten Applikationen zur Automatisierung von Produkt- und Geschäftsprozessen. Als IT-Dienstleister hat das Tochterunternehmen einen Innovationscharakter und wollte sich in Richtung der Nutzung und Implementierung von KI-gestützten Algorithmen und Anwendungen weiterentwickeln. In Zuge dessen wurden zwei Entwickler eingestellt und Bedarfe im Konzern ermittelt, wobei zu Beginn die Bemühungen auf zwei Use Cases konzentriert wurden, bei denen das größte Potenzial zur Kosteneinsparung gesehen wurde.
Zum einen fand eine Implementierung der Cognitive Services von Microsoft Azure im Bereich Transkription und Übersetzung von Schulungsvideos in verschiedene Sprachen statt, die durch eine Prozessautomatisierung Ressourcen einsparen sollte. Der zweite Use Case bezog sich auf einen wesentlichen Bestandteil des Tagesgeschäfts des IT-Dienstleisters: Die Bearbeitung von IT-verwandten Störungen oder Fehlermeldungen, die täglich in Form von „Tickets“ in den User Help Desk des IT-Dienstleisters eintrudeln. Dort wurde ein KI-basiertes Klassifizierungsmodell zur automatischen Einordnung der Tickets in Lösungskategorien eingeführt.
Kommunikation und exploratives Vorgehen
Als Produkt-Manager und Verantwortlicher für die Outcomes von KI-Implementierungen führte Tesenid im ersten Schritt spezielle Workshops und Umfragen zur Potenzialanalyse durch. Dabei wurden für verschiedene Use Cases Anforderungen aus dem IT-Bereich berücksichtigt, sowie die Entwickler und jeweiligen Fachbereiche im Unternehmen involviert. Auch wurde geprüft, ob und inwiefern die Pläne mit der gegebenen Architektur übereinstimmen und daraufhin gemeinsam eine Lösung konzipiert und umgesetzt. Tesenid betont, dass die Herangehensweise für die bisherigen KI-Implementierungen offen und explorativ war.
„Wir hatten nie wirklich einen Zeitdruck hinter den ganzen Sachen, sondern konnten da auch sehr explorativ vorgehen.“
Gemeinsam mit den Entwicklern und betroffenen Stakeholdern wurden Gespräche geführt, eine Konzeption inklusive Proof of Concept aufgesetzt und zusammen in Meetings an der Umsetzung gearbeitet. Bedenken oder Ängsten vor KI-Systemen ist Tesenid dabei kaum begegnet. Bei einer aktuellen Umfrage im Konzern äußerten lediglich eine Handvoll von über 400 Befragten leichte Bedenken.
„Ich bin solchen Bedenken schon mal begegnet, aber sehe ich doch eher gering, weil die meisten Leute halt Technologie eher nutzen wollen, um ihren Alltag zu vereinfachen.“
Über den Erfolg und Misserfolg einer Implementierung entscheide stark die Kommunikation und Führung in einem Unternehmen. Der IT-Dienstleister legt großen Wert auf positives Marketing der möglichen KI-Applikationen und hebt die Vorteile durch die Arbeitserleichterungen in seiner Kommunikation hervor.
Reibungslose Implementierung
Die bisherigen Implementierungen haben sich in erster Linie auf Arbeitserleichterungen in einem kleinen Rahmen und auf „rudimentäre“, simple Use Cases konzentriert. Der Arbeitsaufwand durch die eingehenden Tickets am User Help Desk konnte laut Tesenid deutlich reduziert werden, da nun 20 Prozent der Tickets automatisiert weitergegeben werden. Im Bereich Transkription und Übersetzung fand durch eine prozessuale Änderung im Arbeitsablauf eine leichte Umgewöhnung statt, die von den Mitarbeitenden aber ohne Probleme bewältigt wurde. Die betroffene Abteilung war von der reibungslosen Implementierung der ServiceAnwendung von Microsoft Azure positiv überrascht, berichtet Tesenid. Das Unternehmen will aus diesem Grund in Zukunft weiterhin auf bereits existierende KI-Modelle und Services von großen Unternehmen zurückgreifen.
„Wir wollen hauptsächlich die Services und auch die Modelle von großen Unternehmen dann einfach nutzen, die die entsprechenden Daten haben und dann eigentlich nur für uns individualisieren, wenn es wirklich sinnvoll ist.“
Es kommen bezüglich der KI-Anwendung für Transkription und Übersetzung lediglich nach und nach neue Anforderungen hinzu, die im ursprünglichen Konzept noch nicht berücksichtigt wurden. Zum Zwecke einer Optimierung werden dabei neue mögliche Use Cases identifiziert und die Erwartungen an die KI-Lösung steigen.
Klein anfangen
Tesenid rät anderen Unternehmen, in Bezug auf KI zunächst mit kleinen, einfachen Use Cases zu starten. Komplexe Problemstellungen forderten viele Ressourcen und Zeit; eine schnelle, effektive Implementierung verspreche hingegen ein erstes Erfolgserlebnis. Darüber hinaus hat er Tipps, die für einen günstigen Nährboden sorgen:
„Es sollte eigentlich kein Zeitdruck und eine, ich sage mal, relativ offene Erwartungshaltung vorhanden sein, damit man auch die Chance hat, sich zu verbessern, Sachen neu auszuprobieren.“
Weitere Faktoren, die eine gute Implementierung begünstigten, seien eine solide Architektur des Systems sowie eine hohe Qualifikation der Entwickler. Datenschutz und Sicherheit sollten im Auge behalten werden, da das Datenschutzrecht eine Herausforderung darstellen kann. Sowohl unklare Ziele und Anforderungen als auch fehlendes Buy-In vom jeweiligen Fachbereich, d.h. fehlende Motivation oder fehlende zeitliche Ressourcen, könnten eine Implementierung hemmen oder in die Länge ziehen. Tesenid spricht der Unternehmenskultur eine wichtige Rolle zu, da diese seiner Meinung nach durch die Motivation und das Interesse der Mitarbeitenden bestimmt wird. Ein Abteilungsleiter, der sich für ein Projekt begeistere, könne die Implementierung stark vorantreiben, wohingegen ein anderer ohne Interesse das Projekt hemmen oder zum Stillstand bringen könne.
„Ich glaube, es kommt sehr stark auf den Charakter, auf den persönlichen Wert an. Wie offen bin ich als Person für die Themen und wie stark habe ich auch ein Interesse, das Unternehmen voranzubringen.“