Überblick
Neben der Erfassung des Geschäftsmodells mit seiner Struktur und den zugrundeliegenden Mechaniken soll in dieser Lektion die nach innen gerichtete Perspektive weiter vertieft werden. Dafür werden die Kernkompetenzen Ihres Unternehmens als weiterer wichtiger Schritt der Geschäftsmodellanalyse näher untersucht.
Kernkompetenzen sind die Fähigkeiten und Ressourcen eines Unternehmens, die gegenüber Wettbewerbern einen Vorteil oder ein Alleinstellungsmerkmal darstellen. Dazu gehören materielle, aber auch immaterielle Stärken. Zu immateriellen Kompetenzen zählen bspw. Know-How, Nutzungsrechte, Lizenzen, Patente, spezielles Verfahrenswissen aber auch der Kunden- und Lieferantenstamm und zugehörige Geschäftsbeziehungen. Materielle Kompetenzen hingegen sind physisch wie z.B. Produktionsanlagen oder -systeme, Kapazitäten, Infrastruktur oder auch Rohstoffe. Ihre angebotenen Produkte und Dienstleistungen können als Verkörperung Ihrer Kernkompetenzen betrachtet werden.
Die Kernstärken Ihres Unternehmens bestimmen, wo und wie sie tatsächlichen oder emotionalen Kundenmehrwert schaffen. Ein Fokus darauf ist vorteilhaft, um einerseits die eigenen Stärken und den eigenen Wettbewerbsvorteil auszubauen und andererseits die eigenen Geschäftsfelder nicht zu sehr in Gebiete zu vertiefen, in denen Kompetenzen und Erfahrungen fehlen. Eine zu starke Diversifizierung abseits ihrer Kernstärken kann mehr Unternehmensressourcen binden, als ursprünglich geplant war und führt zu einem Fehlen dieser Ressourcen in Ihren starken Geschäftsfeldern. Eine Bündelung von Ressourcen in den wichtigsten Aspekten Ihres Unternehmens kann wiederum zu einer effizienteren Ressourcennutzung, Produktivitätssteigerungen und einer verbesserten Innovationskraft führen. Das bedeutet natürlich nicht, dass Unternehmen keine Experimente wagen sollten, sondern viel mehr, dass solche Entscheidungen gut bedacht und geplant, und im Zweifel auch korrigiert werden sollten. Eine zu starke Fokussierung auf Kernkompetenzen wird wiederum auch mit einem Zurückgang der Innovationsfähigkeit verbunden.
Was ist zu tun?
Zur systematischen Identifizierung der Unternehmenskompetenzen wird als Unterstützung die Wertkette nach Porter vorgestellt. Im Rahmen der Methode werden die verschiedenen Aktivitäten eines Unternehmens definiert, die zur Erstellung von Produkten und Dienstleistungen dienen und zur Wertschöpfung beitragen. Dieses Modell hilft Ihnen dabei, anhand dieser Aktivitäten systematisch Fähigkeiten und Ressourcen zu identifizieren, die als Stärken, also als Kompetenzen eines Unternehmens gelten. Dabei können Ihnen aber auch Aktivitäten auffallen, die als Schwächen definiert werden.
Mit der VRIO-Analyse können Sie anschließend die identifizierten Kompetenzen bewerten, und prüfen, bei welchen Kompetenzen es sich auch tatsächlich um Kernkompetenzen und wobei es sich bspw. um ungenutzte oder nur temporäre Wettbewerbsvorteile handelt.
Was ist das Ergebnis?
Diese Lektion hilft Ihnen bei der Identifizierung und Bewertung Ihrer Kompetenzen. Mit Hilfe der Ergebnisse haben Sie förderliche Anhaltspunkte im Geschäftsmodellgestaltungsprozess durch eine Einschätzung von temporären, ungenutzten oder auch nachhaltigen Vorteilen in den Fähigkeiten und Ressourcen Ihres Unternehmens. Sie werden mit Hilfe der Ergebnisse dieser Lektion den Fokus in der Gestaltung eines neuen Geschäftsmodells besser setzen können.
Quellen
- Michailov, G., Stange, J. (2022). Geschäftsmodell Redesign: Dimensionen bewerten, Werthebel identifizieren, Transformation gestalten – Ein Praxisbuch. Campus Verlag
- Prahalad, C.K., Hamel, G. (1997). The Core Competence of the Corporation. In: Hahn, D., Taylor, B. (eds) Strategische Unternehmungsplanung / Strategische Unternehmungsführung. Physica, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-41482-8_46
- Bredrup, H. (1995). Competitiveness and Competitive Advantage. In: Rolstadås, A. (eds) Performance Management. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-011-1212-3_3
- Ries, E. (2011). The lean startup: How today's entrepreneurs use continuous innovation to create radically successful businesses. Crown Business.
- Christensen, C. M. (2016). The innovator’s dilemma. Harvard Business Review Press.
- Porter, M. E. The Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance. NY: Free Press
Weiterführende Literatur
- Kernkompetenzen (o.J.)
Wirtschaftslexikon Gabler - Make-or-Buy (o.J.)
Wirtschaftslexikon Gabler
Wertkette nach Porter
Kurz & Knapp
Die Wertkette nach Porter ist ein Modell zur Darstellung der wichtigsten Aktivitäten und unterstützenden Aktivitäten eines Unternehmens. Ziel ist es, Werttreiber im Sinne von Stärken eines Unternehmens in der eigenen Wertschöpfugskette zu identifizieren.
2-8 Personen
ca. 2h
Plakat/Whiteboard
Vorgehensweise
Das Wertkettenmodell nach Porter ist eine allgemein gehaltene Darstellungsvariante der internen Wertschöpfungskette eines Unternehmens anhand einer Sammlung von Aktivitäten. Durch die abstrakte Darstellungsweise wird die individuelle Anwendung auf sämtliche (produzierende) Unternehmen möglich. In der Wertkettenanalyse nach Porter sollen werttreibende Aktivitäten im Kontrast zu kostentreibenden Aktivitäten identifiziert werden. Im Zusammenhang des Geschäftsmodellentwicklungsprozesses soll das Modell benutzt werden, um die (Kern-)Kompetenzen und ggf. Schwächen eines Unternehmens zu identifizieren.
Das Modell ist aus fünf Primäraktivitäten und vier Unterstützungsaktivitäten aufgebaut:
Primäraktivitäten:
- Eingangslogistik
bspw. Warenannahme, Einlagerung, Lagerhaltung, Bestandskontrolle - Produktion
bspw. Vorproduktherstellung, Bearbeitung, Endmontage - Ausgangslogistik
bspw. Kommissionierung, Verpacken, Sendungsbündelung, Versand - Marketing und Vertrieb
bspw. Werbung, Verkaufsförderung, Außendienst, Verkaufsverwaltung - Service (Dienstleistungen)
bspw. Kundenbetreuung, Anwendungsberatung, Wartung, Instandsetzung
Unterstützende Aktivitäten:
- Unternehmensinfrastruktur
bspw. Prozesse ds täglichen Geschäftsbetriebs wie verwaltung, Büroarbeit - Personalmanagement
bspw. Einstellung, Ausbildung, Weiterbildung, Kündigung - Forschung & Entwicklung
bspw. Grundlagenforschung, Anwendungsforschung, Entwicklung - Beschaffung
bspw. Lieferantenmanagement, Einkauf, Bestellung
Vorgehen:
- Abbildung der primären und unterstützenden Aktivitäten in ihren einzelnen Teilschritte anhand von spezifischen Anhaltspunkten wie Produkt-, Auftrags- oder Bestellfluss
- Identifizieren von Werttreibern, Kompetenzen aber auch von möglichen Kostentreibern in Ihren definierten Aktivitäten und Teilschritten
Tipps & Tricks
- Wählen Sie einen angemessenen Detaillierungsgrad, der Ihnen zum Erreichen des Ziels (Identifizierung von Kernkompetenzen) weiterhilft. Falls bspw. einzelne Maschinen für Sie von besonderer Bedeutung sind, definieren Sie diese als Teilschritte einer Aktivität.
- Behalten Sie die Definition von Kernkompetenzen und den möglichen Ausprägungen aus der Einleitung zu dieser Methode im Hinterkopf, um diese zielgerichtet zu identifizieren.
- Achten Sie auch auf mögliche Schwächen und Probleme in Ihren Aktivitäten, indem Sie erzeugte Werte und Kosten abschätzen. Notieren Sie sich die Gedanken und verwenden Sie die Notizen in der SWOT-Analyse wieder.
- Bewerten Sie die identifizierten Kompetenzen mit Hilfe der VRIO-Analyse.
Beispiel
Für das Beispielunternehmen soll die Wertkette anhand der unterstützenden Aktivität „Forschung & Entwicklung“ verdeutlicht werden. Nachfolgend ist diese Wertkette in Kooperation mit einer Forschungseinrichtung aufgezeigt.
Folgende Kompetenzen können dabei ermittelt werden:
- forschungsbasiertes Arbeiten
- Partnerschaft mit einer Forschungseinrichtung
- Umsetzung der komplexen Produktdesigns
- Patentierung der Produktdesigns
Quellen
- Wertkettenanalyse (o.J.)
Studienretter - https://blog.hubspot.de/service/wertschoepfungskette (2023)
Frank Steiner. Blog.Hubspot - http://www.manager-wiki.com/unternehmensanalyse/12-wertkette (o.J.)
Achim Sztuka. Manager-Wiki
VRIO-Analyse
Kurz & Knapp
Die VRIO-Analyse ist eine Methode zur systematischen Bewertung der Kompetenzen eines Unternehmens. Ziel ist es, herauszustellen, welche Fähigkeiten und Ressourcen einen bleibenden Wettbewerbsvorteil verschaffen.
2-8 Personen
ca. 1h
Flipchart oder Whiteboard
Vorgehensweise
Die VRIO-Analyse bewertet Kompetenzen eines Unternehmens anhand der vier verschiedenen Merkmale Wert (Value), Seltenheit/Einzigartigkeit (Rare), Nicht Kopierbarkeit (Inimitable) und Organisation im Unternehmen (Organisation). Das Ziel ist die Ermittlung der Kompetenzen, die tatsächlich als Kernkompetenz verstanden werden können und einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil verschaffen und welche Kompetenzen in Abgrenzung dazu einen positiven und welche eher einen negativen Einfluss im Vergleich zur Konkurrenz haben.
- Bewertung der identifizierten Kompetenzen anhand der vier Kernfragen:
Wert:
Hat eine Ressource oder Fähigkeit einen hohen Wert für Ihr Unternehmen?
Seltenheit/Einzigartigkeit:
Ist die Ressource oder Fähigkeit selten im Vergleich zu Ihren Wettbewerbern?
Nicht Kopierbarkeit:
Kann die Ressource oder Fähigkeit leicht vom Wettbewerb beschafft oder nachgeahmt werden?
Organisation im Unternehmen:
Kann das Unternehmen mit einer Ressource oder Fähigkeit umgehen und diese gewinnbringend einsetzen?
- Einschätzung der identifizierten Kompetenzen anhand nachfolgender Kombinationsmöglichkeiten:
Tipps & Tricks
- Beachten Sie bei der Bewertung Ihrer Kompetenzen auch die Kundenperspektive.
- Überlegen Sie sich Schlussfolgerungen für die Analysen und überlegen Sie, wie Sie die Kompetenzen in stärkere Vorteile wandeln können.
Beispiel
Die im Beispiel der Wertkette nach Porter identifizierten Kompetenzen werden hier mit Hilfe der VRIO-Analyse untersucht.
Mit der Analyse wird ersichtlich, dass viele Unternehmen forschungsbasiert arbeiten, aber nur wenige dafür als Unterstützung eine Kooperation mit einer Forschungseinrichtung haben, die die Expertise erhöht. Solch eine Kooperation kann auch von anderen Unternehmen begonnen werden. Die vorhandenen Spezialmaschinen und das aufgebaute Prozesswissen zur Umsetzung von Design- und Anatomieansprüchen an die Geräte sind für Konkurrenten aber nicht beschaffbar und umsetzbar. Allerdings hindert das fordernde Tagesgeschäft eine schnelle Umsetzung, sodass hier ein ungenutzter Vorteil entsteht. Hier könnten bspw. Ressourcen gezielt freigesetzt werden, um eine schnellere Markteinführung zu forcieren. Mit der Patentierung der komplexen und innovativen Designs weist das Unternehmen jedoch eine Kernkompetenz auf, die es von Wettbewerbern klar abgrenzt und einen nachhaltigen Vorteil erschafft.
Quellen
- VRIO-Analyse (o.J.)
Sebastian Lugert. Mission-Wachstum